Mal ehrlich: Jeder von uns nervt sich manchmal über Entscheide, die in der Politik getroffen werden. Oder es gibt Dinge und Zustände in Langenthal, die man selbst schlichtweg ganz anders handhaben würde. Auch mir geht es so. Viel zu oft mache ich deswegen die Faust im Sack. Dabei stünden mir durchaus Instrumente zur Verfügung, mit denen ich Einfluss auf die Lokalpolitik nehmen könnte. Kennen Sie die wichtigsten? Wenn nein: Ich habe für diesen Text meine Kenntnisse in Staatskunde aufgefrischt:

By Patrick Jordi

 

1. Das gute alte Gespräch

Rufen Sie bei nächster Gelegenheit einmal die Mitgliederliste des Langenthaler Stadtrats auf. Mit grosser Wahrscheinlichkeit kennen Sie mehrere der aufgeführten Parlamentarier sogar persönlich – oder Sie können zumindest gewisse Namen mit bekannten Gesichtern in Verbindung bringen. Nutzen Sie diese Bekanntschaften für Ihre persönlichen Anliegen! Langenthals Stadträtinnen und Stadträte wurden gewählt, um die Interessen der hiesigen Bevölkerung in die Lokalpolitik zu tragen; dies gilt selbstverständlich auch für die Mitglieder des Gemeinderats. Es ist also Ihr gutes Recht, einen Volksvertreter Ihrer Wahl anzuschreiben oder in ein persönliches Gespräch zu verwickeln. Überzeugen Sie ihn dabei von Ihrer Idee oder Ihrem Vorschlag. Dem Stadtratsmitglied stehen sodann drei parlamentarische Instrumente zur Auswahl, um das Anliegen dem Gemeinderat zu überantworten (Motion, Postulat, Interpellation – vgl. Infotext ganz unten); ein Gemeinderatsmitglied muss weniger formell vorgehen. Alternativ können Sie auch die Sprechstunde des Stadtpräsidenten nutzen, um Ihr Anliegen zu platzieren.

2. Die Petition

Jede Person hat das Recht, mit einer Petition Bitten, Anregungen und Beschwerden an den Stadtrat, den Gemeinderat und die Kommissionen zu richten und dafür Unterschriften zu sammeln, ohne dadurch jedoch Nachteile erleiden zu müssen. Petitionen müssen vom zuständigen Organ innerhalb von 12 Monaten geprüft und beantwortet werden. Bezüglich der Unterschriften ist keine Mindestanzahl nötig. Die Petition lockt mit ihrer Einfachheit. Ein Nachteil ist, dass sie keine zwingende Wirkung hat. Somit kann das vorgebrachte Anliegen nach erfolgter Stellungnahme recht schnell wieder versanden.

3. Die Initiative

Stimmberechtigte können mit einer Initiative den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Reglementen oder Beschlüssen verlangen, die in der Zuständigkeit der Stimmberechtigten oder des Stadtrates liegen. Das Begehren muss von mindestens 900 Stimmberechtigten unterzeichnet sein. Die Sammelfrist einer Initiative beträgt 6 Monate. Sie ist entweder als einfache Anregung oder als ausgearbeiteter Entwurf einzureichen. Wenngleich die Initiative doch einiges an Aufwand bedeutet, so ist sie dennoch ein ziemlich mächtiges Instrument der Einflussnahme – in Langenthal sogar noch mächtiger als auf Bundesebene, wo mit der Initiative «nur» eine Verfassungsänderung erwirkt werden kann. 

4. In einer Partei mitmachen

Ich gebe zu: Farbe zu bekennen, ist nicht unbedingt meine Stärke. Gerade bei politischen Fragestellungen fühle ich mich oftmals hin- und hergerissen. Einmal gewichte ich die Argumente des linken Parteienspektrums höher, dann wieder überzeugt mich die politische Arbeit der Bürgerlichen doch mehr. Nein, als Parteisoldat bin ich beileibe nicht geeignet. Wie ich in Gesprächen mit Mitgliedern der FDP.Die Liberalen Langenthal erfahren durfte, ist es jedoch gar nicht unbedingt vonnöten, dass jeder Einzelne die Parteimeinung auf Teufel komm raus vertritt. Gerade die hiesige FDP ist ja bekannt dafür, über ein besonders breites Persönlichkeitsspektrum zu verfügen, was sich notabene auch in ihren beiden aktuellen Kandidatenlisten für die Gemeindewahlen 2020 widerspiegelt. Insofern gehört es bei der FDP.Die Liberalen Langenthal quasi zur Tagesordnung, unterschiedliche Meinungen unter einen Hut zu bringen und Themen möglichst breit zu diskutieren. Selbst in einer Partei mitzumachen ist also eine gute Möglichkeit, um direkten Einfluss auf die Politik zu nehmen – umso mehr noch in einer Partei, die unterschiedliche Meinungen zulässt und den Wissensaustausch untereinander fördert.

5. Sich selbst wählen lassen

Wer seine Einflussnahme sogar noch verstärken will, der stellt sich selbst als Kandidatin oder Kandidat für die Wahl zur Verfügung. Auch bei den nächsten Langenthaler Gemeindewahlen vom 29. November 2020 stellen sich zahlreiche Menschen das erste Mal für ein politisches Amt zur Verfügung. Sie setzen damit ein Zeichen, dass ihnen die direkte Demokratie wichtig ist; und dass diese Staatsform nur funktionieren kann, wenn Menschen bereit sind, ein Amt zu übernehmen. Auch auf der Liste der FDP.Die Liberalen Langenthal treten zahlreiche Menschen das erste Mal zu einer Volkswahl an.

6. Wählen und abstimmen gehen

Wer seit mindestens drei Monaten in der Stadt Langenthal lebt und auch sonst stimmberechtigt ist, darf an den kommunalen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen. Stimmbeteiligungen von nicht selten weniger als 30 Prozent zeigen auf, dass es meist nur verhältnismässig wenige der rund 10'000 Stimm- und Wahlberechtigten sind, die die Geschicke der Stadt beeinflussen. Es kommt allerdings – wie dies die Abstimmung über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge sogar auf Bundesebene gezeigt hat – nicht selten nur auf wenige Stimme an. Nutzen Sie also am 29. November Ihr Wahlrecht und gehen Sie wählen. In der Schweiz geniessen wir diesbezüglich ein Privileg, das wir aktiv nutzen sollten. Am besten schreiben Sie Namen von Personen auf den Wahlzettel, die Sie persönlich kennen und von deren Fähigkeiten, Anliegen einzubringen und diese beharrlich umzusetzen, Sie absolut überzeugt sind.

7. Auch die Jugend kann Einfluss nehmen

Das Jugendpostulat ist sozusagen die verstärkte Form der Petition: Mindestens dreissig Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren, die in der Gemeinde wohnhaft sind, können dem Stadtrat zuhanden des Gemeinderates einen schriftlichen, kurz begründeten Antrag stellen. Das Jugendpostulat wird wie ein Postulat eines Stadtratsmitgliedes behandelt.

 

Die oben aufgeführten Instrumente sind vor allem dafür geeignet, wenn ich als Bürger etwas proaktiv gestalten oder eine Idee einbringen will. Man kann aber auch etwas im Nachhinein ändern bzw. korrigieren. Hier zwei Möglichkeiten:

 

Das Referendum

Mindestens 400 Stimmberechtigten können durch Unterschrift verlangen, dass die Beschlüsse des Stadtrates in Frage gestellt und somit der Gemeindeabstimmung unterbreitet werden müssen. Das Referendum ist zustande gekommen, wenn die notwendige Anzahl Unterschriften bei der Stadtverwaltung eingereicht wird, und zwar innert 30 Tagen seit der Veröffentlichung des Stadtratsbeschlusses im amtlichen Anzeiger. Der Gemeinderat stellt das Zustandekommen des Referendums fest. Ab diesem Zeitpunkt ist die Abstimmung innerhalb von 12 Monaten durchzuführen, gestützt auf eine vom Stadtrat verabschiedete Abstimmungsbotschaft.

Der juristische Weg

Gegen einen Beschluss kann Beschwerde geführt werden. Ein eher unschöner und mühsamer Weg, der grundsätzlich zu vermeiden ist. Wenn aber gemeinderechtlich etwas nicht sauber abgelaufen ist, beispielsweise bei der Stimmenauszählung einer Gemeindeabstimmung, dann ist der juristische Weg fast unvermeidlich. Die Beschwerde wird in diesem konkreten Fall beim Regierungsstatthalteramt geführt.

 

 


Weiterführende Erklärungen:

Bei Motionen entscheidet der Stadtrat endgültig über deren Qualifizierung als Motion mit Weisungscharakter oder als Motion mit Richtliniencharakter.

Motionen mit Weisungscharakter sind selbstständige Anträge, die den Gemeinderat verpflichten, einen Beschlusses- oder Reglemententwurf vorzulegen. Sie sind zulässig für Gegenstände, die nicht in den ausschliesslichen Kompetenzbereich des Gemeinderates fallen.

Motionen mit Richtliniencharakter sind zulässig für Gegenstände, die in den Kompetenzbereich des Gemeinderates fallen.

Postulate sind selbstständige Anträge, die den Gemeinderat einladen zu prüfen, ob ein Reglements- oder Beschlussentwurf oder ob eine Massnahme zu treffen sei.

Mit einer Interpellation wird der Gemeinderat ersucht, über einen Gegenstand der Gemeinde Auskunft zu erteilen.

Politische Einflussnahme