Freude herrscht: In Langenthal fällt das Kommissionsgemheimnis. Warum das so entscheidend ist und welche wichtige Rolle in diesem Zusammenhang die FDP Langenthal gespielt hat, erfahren Sie jetzt:

By Patrick Jordi

Was schätzen Sie, wie viele Geschäfte umfasste die Traktandenliste der Stadtratssitzung von Mitte September 2020? Sage und schreibe 19 Traktanden hatte das Parlament zu behandeln! Freilich fallen die aktuellen Traktandenlisten wegen der coronabedingten Sitzungspause, die man im Frühling hinnehmen musste, etwas länger aus. Aber auch in «normalen» Zeiten haben es Langenthals Stadtratssitzungen durchaus in sich.

Gut beraten ist da, wer die Geschäfte frühzeitig vorbereiten und sich bereits im Vorfeld eine Meinung zu den Stadtratsthemen bilden kann. Umso erstaunter war ich, als ich erfuhr, dass Langenthals Stadträtinnen und Stadträte vor einer Parlamentssitzung gerade einmal 20 Tage Zeit haben, um sich mit den Traktanden auseinanderzusetzen. Ein früherer Versand der umfassenden Stadtratsakten ist nicht vorgesehen.

Aktenstudium unter Zeitdruck

20 Tage sind recht sportlich bemessen – man denke dabei an die vielen beruflichen und privaten Verpflichtungen, die unsereins heutzutage hat. Da müssen sich Langenthals Stadträtinnen und Stadträte ihre verfügbare Zeit aber richtig clever einteilen, wollen sie das Aktenstudium wirklich gewissenhaft betreiben. Nur mal angenommen, ich selbst wäre Mitglied unseres Stadtparlaments: Diese Situation würde mich wohl ziemlich herausfordern – wenn nicht sogar überfordern und mitunter auch stressen. Angesichts dieser superkurzen Frist bliebe mir wohl gar nichts anderes übrig, als mich bereits weit im Voraus über den Inhalt gewisser Geschäfte durch Parteikollegen oder andere Behördenmitglieder informieren zu lassen – idealerweise durch solche, die in vorberatenden Kommissionen Einsitz haben und die deshalb einen Wissensvorsprung geniessen und über Insider-Informationen verfügen.

Aber halt! Hätten Sie gewusst, dass ein solcher Wissensaustausch und Informationsfluss – etwa zwischen dem Mitglied der Volksschulkommission und einem interessierten Stadtratsmitglied – gemäss aktuellem Verständnis weder erwünscht noch erlaubt ist?! Tatsächlich ist es in Langenthal derzeit so geregelt, dass die Behördenmitglieder dem Amtsgeheimnis und damit einer Schweigepflicht unterstehen. Streng genommen darf also beispielsweise ein von der FDP entsandtes Kommissionsmitglied seine Parteikolleginnen und -kollegen, die im Stadtrat Einsitz haben, nicht über die Vorberatungen seiner Kommission in Kenntnis setzen. Das Vorwissen, das für die Stadträtinnen und Stadträte doch eigentlich unabdingbar wäre, um sich im Vorfeld der Parlamentssitzung eine fundierte Meinung bilden zu können, bleibt damit weitestgehend ungenutzt. Schrecklich ineffizient das Ganze…

Das Amtsgeheimnis in politischen Geschäften fällt – endlich

Was in Langenthal also offensichtlich fehlt, ist eine Diskussionskultur, die bereits weit vor den eigentlichen Stadtratssitzungen einsetzen darf und die allenthalben gelebt wird. In diesem Zusammenhang kann man von Glück reden, dass die Schweigepflicht bei politischen Geschäften ab 1. Januar 2021 nun endlich der Vergangenheit angehören wird, zumindest zu grossen Teilen. Langenthals Stadtrat hat an seiner Sitzung Mitte September nämlich das neue Behördenreglement angenommen, in welchem die Schweigepflicht aufgehoben bzw. stark gelockert wird. Damit wird der Weg frei für einen wirklich höchst wünschenswerten Wissenstransfer zwischen den einzelnen Behördenmitgliedern. FDP-Parteipräsident und Stadtrat Diego Clavadetscher unterstrich am Rednerpult das grosse Potenzial, das mit der Aufhebung der Schweigepflicht einhergeht: «Dadurch können wir die Zusammenarbeit zwischen den politischen Gremien verbessern, was wiederum die Chance dafür bietet, dass wir einen effizienteren Politbetrieb haben.»

Es ist nicht zuletzt Clavadetscher und seinen Mitstreitenden – auch aus den Fraktionen SVP und EVP/GLP – zu verdanken, dass das neue Behördenreglement nun dahingehend verbessert werden konnte. Denn es waren allen voran die FDP-Stadträtinnen und -Stadträte, die das Reglement noch in eine 2. Lesung und damit in die Überarbeitung seitens der Exekutive geschickt hatten.

Skepsis auf linker Seite – fragt sich bloss warum?

In der überarbeiteten Form wurde das Behördenreglement vom Stadtrat nun einstimmig angenommen, wenngleich bei der Abstimmung offensichtlich war, dass nicht restlos alle Mitglieder des Stadtparlaments die gleiche Begeisterung dafür an den Tag legen konnten. Namentlich seitens der SP/GL-Fraktion schienen sich einige sichtlich schwer damit zu tun. Kurz vor der Abstimmung hatte denn auch SP-Stadträtin Saima Sägesser noch freimütig eingeräumt, der überarbeitete Reglemententwurf habe fraktionsintern für Stirnrunzeln gesorgt. Man glaube noch nicht daran, dass mit der neuen Handhabung des Amtsgeheimnisses wirklich eine Verbesserung der Situation erzielt werden könne.

Sägessers Skepsis in allen Ehren – aber warum in aller Welt sollte es dem Langenthaler Politbetrieb abträglich sein, wenn der Austausch zwischen der Exekutive und der Legislative gefördert wird? Ein transparenter Informationsaustausch sowie eine angeregte Diskussionskultur haben wohl noch in den seltensten Fällen geschadet – in der Politik erst recht nicht. Habt daher keine falsche Scheu, ihr Volksvertreterinnen und Volksvertreter: Gebt Insider-Infos fortan ruhig an eure Stadtratskolleginnen und -kollegen weiter, wenn es um politische Geschäfte geht! Im Zweifelsfall könnt ihr ja immer noch das neue Behördenreglement zurate ziehen.

In Langenthal fällt das Kommissionsgeheimnis

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