Auch ohne Pandemie-Einwirkung hat man in Langenthal manchmal das Gefühl, die Stadt wolle nicht so recht vom Fleck kommen. Zu tun hat das mitunter damit, dass unsere Lokalpolitik Sand im Getriebe hat. Dabei wären gar nicht mal so viele Zutaten nötig, um das System in Schwung zu bringen. Hier ein Grundrezept, wie Politik auf städtischer Ebene funktionieren kann.

By Patrick Jordi

Man nehme einen Stadtrat, der seine Kompetenzen wahrnehmen kann…

Kann es die Aufgabe eines Stadtrats sein, traktandierte Geschäfte einfach nur abzunicken und erst gar nicht gross darüber zu diskutieren? Wohl kaum. Gemäss unserer Stadtverfassung kommt dem Stadtrat nämlich eine ziemlich grosse Verantwortung zu: Er fasst Beschlüsse, die für die Stadt und deren Bevölkerung zum Teil weitreichende Folgen haben. Um diese Beschlüsse fassen zu können, ist eine vertiefte Diskussion notwendig. Doch leider kommen gerade eine fundierte Meinungsbildung sowie ein reger Austausch in Langenthals Stadtparlament oftmals zu kurz. Eines der Probleme: In unserer Stadt werden die zu beratenden Geschäfte den Mitgliedern des Stadtrats nur kurzfristig vorgelegt – knapp 20 Tage vor der nächsten Parlamentssitzung werden wahre Aktenberge verschickt. Es bleibt also kaum Zeit für ein angemessenes Aktenstudium und erst recht nicht für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema. Idealerweise sollte das Parlament eigentlich bereits früh in den politischen Prozess involviert werden, dazu dienen meistens parlamentarische Diskussionsgremien (Kommissionen). Als Vergleich: Gute Parlamentsarbeit auf Kantonsstufe zeichnet sich dadurch aus, dass die Regierung (die Exekutive) ihre Geschäfte zunächst den Kommissionen des Parlaments zur Vorberatung übergibt, wo diese diskutiert und geprüft werden. Danach werden die Geschäfte der Regierung zurückgespielt, wo wiederum Anpassungen vorgenommen werden können, bevor die Geschäfte schliesslich ins Gesamtparlament (in die Legislative) gelangen. In Langenthal läuft das Ganze etwas anders: Hier fühlen sich die Stadträtinnen und Stadträte bisweilen an die Wand gefahren, weil sich das Parlament erst ganz am Schluss in die Geschäfte einbringen kann und oft bereits Matthäi am Letzten ist, wenn endlich das Parlament mit dem Geschäft betraut wird. In Langenthal bestehen zwar Fachkommissionen, diese werden aber vom Gemeinderat geführt, denn sie beraten den Gemeinderat und nicht das Parlament. Die Kommissionsmitglieder dürfen über die Beratungen nicht berichten und sich auch nicht extern abstützen, denn in Langenthal herrschte bis vor kurzem ein sehr strikt verstandenes Kommissionsgeheimnis. Konkreter: Die Grundlage für eine Meinungsbildung ist zwar sehr wohl gegeben, da in den Kommissionen Vertreter unterschiedlicher Parteien Einsitz haben – aufgrund des Kommissionsgeheimnisses gelangt jedoch das Vorwissen, das in den Kommissionen erarbeitet wird, erst in den Stadtrat, wenn das Geschäft auf der Traktandenliste steht. Das ist ineffizient. Was fehlt, ist eine Diskussionskultur, die bereits weit vor den eigentlichen Stadtratssitzungen einsetzt und allenthalben gelebt wird. Zum Glück soll das Kommissionsgeheimnis mit Blick auf die nächste Legislatur gelockert werden, das verspricht immerhin eine gewisse Verbesserung. Noch besser wäre aber, wenn das Parlament als Ganzes früher in die Geschäfte involviert würde. Diesbezüglich haben im Verlauf der Legislatur gewisse Versuche begonnen, indem gemischte – d.h. vom Gemeinderat geführte – Kommissionen an grossen Geschäften gearbeitet haben; eine rein parlamentarische Kommission wäre effizienter.

 

…man füge eine Geschäftsprüfungskommission (GPK) hinzu, welche die Geschäfte eingehend vorbespricht und auch Anträge stellt…

Die einzige Kommission des Parlaments ist die Geschäftsprüfungskommission (GPK). Ihre Aufgabe ist es, die Vorlagen, die in den Stadtrat gelangen, formell zu prüfen. Darüber hinaus kommt der GPK aber auch die wichtige Aufgabe zu, die Geschäfte vorzuberaten und politisch zu diskutieren. Ebendiese Aufgabe hat die GPK in der laufenden Legislatur vermehrt wahrgenommen und dem Stadtrat wiederholt Anträge gestellt, die sehr oft sogar gutgeheissen wurden oder zumindest eine Diskussion angestossen haben. Dies zum Erstaunen des Gemeinderates, der sich dadurch bisweilen vor den Kopf gestossen fühlte. Dabei wären die Anträge der GPK eigentlich nicht als Kritik oder gar als Verhinderungspolitik zu verstehen. Im Gegenteil: Wie bereits im vorherigen Abschnitt festgehalten wurde, ist es eben gerade Ausdruck seriöser Parlamentsarbeit, die Geschäfte vorzuberaten, eingehend zu hinterfragen und gegebenenfalls Anpassungsanträge an die Regierung zurückzuspielen. Weil die GPK aber nur über die bereits für eine Stadtratssitzung traktandierten Geschäfte beraten kann, ist das Zurückspielen an die Regierung im Langenthaler System faktisch kaum möglich; die Regierung kann somit die Erkenntnisse der GPK auch nicht beraten und ihren Antrag an das Parlament auch nicht anpassen; dies führt dann in der Sitzung in jedem Fall zu einer konfrontativen Situation «Regierung vs. Parlamentskommission», was eigentlich nicht in jedem Fall nötig wäre.

 

…man schmecke das Ganze mit einer Prise Gemeinderat ab…

Der Gemeinderat hat die exekutive Verantwortung und ist – auch in Langenthal – für die strategische Politik zuständig; gemäss der Stadtverfassung muss er alle Parlamentsgeschäfte vorbereiten. Im exekutiven Bereich hat der Gemeinderat den vollen Lead; das Parlament hat hier nur eine Rolle, wenn aufgrund der Ausgabenhöhe der Stadtrat einem Kreditbeschluss zustimmen muss. In solchen Geschäften soll sich der Stadtrat eher zurückhalten. In legislativen Geschäften (d.h. dort, wo Reglemente angepasst werden müssen), hat hingegen der Stadtrat die primäre Verantwortung: Der Gemeinderat bringt einen Antrag ein, der vom Parlament diskutiert werden muss. Hier – anders als bei reinen Exekutivaufgaben – muss der Stadtrat Dreh- und Angelpunkt des lokalpolitischen Geschehens sein, nicht der Gemeinderat. Wenn dieses Rollenverständnis wie bei uns in Langenthal nicht ganz so klar ist, so kann es gerade bei Themen der Rechtsetzung zum Knatsch kommen. Etwa, wenn ein Reglement erlassen oder die Stadtverfassung geändert werden muss. Solche Geschäfte gehören aber zu den Kernaufgaben einer Legislative. In diesen Belangen hat der Stadtrat eine grosse inhaltliche Gestaltungsfreiheit und sozusagen auch die volle Entscheidungsfreiheit. Man kann nun freilich der Ansicht sein, die Arbeit an einem Reglement oder an der Stadtverfassung sei schauderhaft spröde, langweilig und dermassen kompliziert, dass sich doch die Verwaltung und der Gemeinderat damit abmühen möge. Dabei: An Reglementen herumzudenken ist quasi der Kern der Parlamentspolitik. Man muss es deswegen ganz anders sehen: Rechtssetzung ist etwas Spannendes! Ist es nicht ausgesprochen attraktiv, wenn man in einem demokratischen System seine eigenen Spielregeln sogar selbst bestimmen kann? Das Arbeiten an Reglementen ist die Gestaltung der Spielregeln der Zukunft. Deshalb nochmal: Der Stadtrat als Vertretung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gibt die Spielregeln vor.

 

…und so tragen die Stadtverwaltung und der Stadtpräsident zum Gelingen des Rezepts bei…

Langenthal verfügt über eine gut funktionierende Stadtverwaltung. Die Behörden erledigen ihre Aufgaben gewissenhaft, insbesondere im Verwaltungsbereich und was die Dienstleistungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern anbelangt. Überspannt werden die Möglichkeiten der Stadtverwaltung zurzeit jedoch, wenn es darum geht, der Politik zuzudienen. Die Traktandenlisten der Parlamentssitzungen sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir das Fuder aktuell überladen. Etwas weniger wäre im Fall von Langenthal tatsächlich mehr. Die Aufgabe der Politik ist es, Schwerpunkte zu setzen, damit man gezielt in eine Richtung arbeiten kann. Im Langenthaler System kommt die Rolle des Taktgebers vor allem dem Amt des Stadtpräsidenten zu. Die oder der Amtsinhaber/in ist die einzige Person, die ein politisches Vollamt ausübt. Von ihr oder ihm hängt es ab, wie die Stadt politisch vorankommt.

Feuer Politik