Lokalpolitik ist spröde, undankbar und langweilig? Mitnichten, wie ich kürzlich erfahren durfte. Denn in Langenthals Stadtrat werden zuweilen sogar Blumen verteilt, wenn ein langersehntes Ziel endlich erreicht wird. So geschehen bei der kürzlich gutgeheissenen Ferieninsel-Vorlage, als Stefanie Barben und Franziska Zaugg von FDP-Parteipräsident Diego Clavadetscher unmittelbar nach der Abstimmung im Parlament mit je einer Sonnenblume überrascht wurden. Sehr zur Freude der beiden FDP-Stadträtinnen. Wie sich bei genauem Hinschauen zeigt, kommt der sympathische Blumengruss nicht ganz von ungefähr…

By Patrick Jordi

Wie kann jemand bei der aktuellen Weltlage überhaupt irgendwelche gesteigerten Glücksempfindungen haben? Bei meinem Treffen mit den beiden FDP-Stadträtinnen Stefanie Barben und Franziska Zaugg fiel es mir wieder einmal wie Schuppen von den Augen: Glück und Befriedigung verspürt man oftmals schon beim Erreichen von eher kleinen, vermeintlich unscheinbaren Dingen. Nicht etwa, dass die vom Stadtrat gutgeheissene Ferieninsel-Vorlage – die der Auslöser für Zauggs und Barbens Happiness ist – eine kleine Sache wäre. Ganz und gar nicht. Aber im Vergleich zu den üblichen gemeinhin bekannten Glücksgaranten wie Reichtum oder Ruhm ist die Ferieninsel halt eben doch «nur» ein politisches Geschäft mit einem verhältnismässig geringen, dafür aber mit einem umso sichereren Glücks- und Befriedigungsfaktor.

Kurz ausgeholt – jetzt geht’s zur Sache:

Was also ist in der Stadtratssitzung von Ende August geschehen? Die Ferieninsel-Vorlage, die den Aufbau und den Betrieb eines Ferienbetreuungsangebots in der Stadt Langenthal zum Ziel hat (vgl. Info zuunterst), wurde deutlich mit 28 Ja-Stimmen zu 5 Nein-Stimmen angenommen (bei 1 Enthaltung). Endlich, muss man sagen. Denn das ursprüngliche Anliegen war bereits im September 2013 (!) mittels einer Motion in den politischen Prozess eingebracht worden. Ganze sieben Jahre hat es gedauert, bis die Vorlage nun endlich vom Stadtrat gutgeheissen werden konnte. Eingedenk dieser Zeitdauer scheint es schon etwas weniger erstaunlich, dass Stefanie Barben und Franziska Zaugg gerade ein wenig happy sind. 

Nicht die Urheberinnen, aber die Fortsetzerinnen

Doch warum gerade Zaugg und Barben? Denn die beiden sind noch nicht einmal die Verfasserinnen der ursprünglichen Motion – dafür haben sie gar nicht lange genug Einsitz im Stadtrat (Stefanie Barben politisiert seit 2016 für die FDP im Stadtparlament, Franziska Zaugg stiess erst während der aktuellen Legislatur wieder dazu). Nichtsdestotrotz konnten sich die beiden FDP-Frauen, zusammen mit weiteren bürgerlichen Unterstützerinnen und Unterstützern, in der Ferieninsel-Angelegenheit mehr und mehr hervortun – oder besser gesagt: Sie brachten den Stein wieder ins Rollen.

Man muss nämlich wissen, dass diese Vorlage vonseiten Stadtverwaltung nicht gerade gepusht wurde. Nach 2016 sei das Geschäft «aus verschiedenen Gründen vorerst nicht weiter vorangetrieben worden», heisst es in den Stadtratsunterlagen. Dazu Stefanie Barben: «Bis vor wenigen Monaten mussten wir tatsächlich annehmen, dass sich in Sachen Ferieninsel bei der Stadt wenig bis gar nichts tut.» Mehrere Anfragen bei der Stadt hätten nicht gefruchtet. Franziska Zaugg ergänzt: «Wir verspürten daraufhin in unseren Reihen ein wachsendes Bedürfnis, in dieser Angelegenheit selbst aktiv zu werden.»

Also setzten sich vor über einem Jahr die Mitglieder der FDP Frauengruppe zusammen und berieten, wie das Vorhaben Ferieninsel vorangetrieben werden könne. Zu den Unterstützerinnen gehörte allen voran auch FDP-Frau Katrin Zumstein, die sich als Vorstandsmitglied des Krippenvereins Langenthal schon seit längerem für die Schaffung eines Ferienbetreuungsangebots einsetzt. Gemeinsam verfasste die FDP Frauengruppe einen Sponsoringaufruf für das Pilotprojekt «Ferieninsel Stadt Langenthal». Sie erhielten dabei Rückenwind, denn die Initiantinnen konnten auf die Unterstützung der Schülertagesstätte «Windrose» in Langenthal zählen. Die «Windrose» hatte sich dazu bereiterklärt, ab den Herbstferien 2020 eine Ferieninsel anzubieten – und zwar als zweijähriges Pilotprojekt bis zur voraussichtlichen Übernahme durch die Stadt Langenthal.

Sie hatten die lokale Wirtschaft im Rücken

Mit ihrem Sponsoringaufruf wurden die FDP-Frauen unter anderem auch beim Wirtschaftsverband (WVO) vorstellig. «Dort wurden wir mit offenen Armen empfangen. Gleichzeitig sicherten uns diverse Langenthaler Unternehmen ihre Unterstützung zu», erzählt Stefanie Barben. «Folglich wurden uns namhafte finanzielle Mittel zugesichert, welche die Umsetzung unseres eigenen Pilotprojekts ermöglicht hätten.» Ihre Pläne seien zu diesem Zeitpunkt schon sehr konkret und weit vorangeschritten gewesen, merkt Franziska Zaugg an.

Dann jedoch nahmen die Ereignisse eine überraschende Wendung…

Im Mai 2020 traf sich Langenthals Schulkommission erstmals nach dem Lockdown wieder zu einer Sitzung. Wie aus dem Nichts tauchte auf der Traktandenliste die «Ferieninsel» auf. Das vergessen geglaubte Geschäft: plötzlich zurück auf der politischen Agenda. Man fragte sich, wieso gerade zum jetzigen Zeitpunkt? War es die Tatsache, dass die FDP-Frauen eigeninitiativ und beherzt gehandelt und damit bei der Stadt womöglich etwas ausgelöst hatten? Oder stellte sich in der Corona-Zeit – und insbesondere während der Frühlingsferien 2020 – bei gewissen Eltern doch vermehrt oder gar akut die Betreuungsfrage (wer umsorgt meinen Nachwuchs, wenn ich arbeiten muss?), was logischerweise dazu führte, dass ein Angebot wie die Ferieninsel wieder deutlich an Aktualität und Attraktivität zulegte?

Start in den Frühlingsferien 2021

Stefanie Barben und Franziska Zaugg mögen rückblickend gar nicht mehr gross über die eigentlichen Gründe sinnieren. Hauptsache, es tut sich wieder etwas in Sachen Ferieninsel. Und nachdem der Stadtrat das Geschäft am 31. August nun derart deutlich gutgeheissen hat (im Sinne einer ständigen zukünftigen Gemeindeaufgabe), kann es mit dem Aufbau und dem Betrieb eines Ferienbetreuungsangebots in der Stadt Langenthal erst richtig losgehen. Zwar nicht mit einem ersten Pilotversuch schon in den Herbstferien 2020, wie es die FDP Frauengruppe zum Ziel gehabt hätte. Aber doch immerhin per Frühling 2021. «Das ist völlig okay so», zeigt sich Franziska Zaugg zufrieden, «schliesslich geht es uns um die Sache und wir sind froh, wenn es nun doch noch vorwärts geht.» Stefanie Barben ergänzt: «Nachdem die Stadt signalisiert hatte, dass sie in diesem Geschäft wieder selbst aktiv wird, war für uns klar, die Sache in die Hände der Gemeinde abzugeben. Dass das Parlament mit der erarbeiteten Vorlage nun zufrieden ist, äussert sich in der deutlichen Zustimmung des Stadtrats. Wir sind froh, dass es so herausgekommen ist.»

Zu wissen, dass sie ein solches Projekt – oder zumindest den Pilotversuch zur Ferieninsel – auch in Eigenregie hätten auf die Beine stellen können, macht die beiden FDP-Stadträtinnen aber schon ein bisschen stolz und – wie eingangs erwähnt – auch glücklich. «Die hiesigen Firmen im Rücken zu wissen, war für uns natürlich sehr wichtig und eine grosse Wertschätzung», bilanziert Stefanie Barben. Doch die bereits zugesagten Gelder der lokalen Wirtschaft müssen nun gar nicht erst fliessen, da die Stadt das Heft wieder in die Hand genommen hat. «Wir haben entschieden, die Gelder nicht in Anspruch zu nehmen», so Barben.

Eine Geschichte mit Happyend

Die Ferieninsel Langenthal: Es scheint eine Geschichte mit Happyend zu werden «Doch noch!», ist man versucht zu sagen. Vielleicht ist die Geschichte ein Paradebeispiel dafür, wie man auf Gemeindeebene mit Hartnäckigkeit, Engagement und gutem Willen doch so einiges bewirken und nach dem Nehmen diverser Hürden schliesslich trotzdem noch zum Ziel kommen kann?

Sei es, wie’s will: Die Zuversicht der beiden FDP-Stadträtinnen war jedenfalls irgendwie ansteckend und motivierend. Was wäre also, wenn ich mir für meinen nächsten Urlaub selbst eine kleine «Ferieninsel» schaffen würde? Eine für mich ganz allein, zuhause in Langenthal. Das Glück im Privaten suchen sozusagen, mit Beschäftigungsprogramm und so weiter. Denn der nächste Aufenthalt auf einer echten Ferieninsel lässt wohl noch etwas länger auf sich warten, Corona sei Dank…

 

 

 

Die Idee der Ferieninsel – erklärt am Beispiel der Schülertagesstätte Langenthal

Die Schülertagesstätte Langenthal betreut in den schulfreien Randstunden, über Mittag und an freien Nachmittagen Kinder berufstätiger Eltern. Während der Schulferien entfällt jedoch dieses Angebot, was zu Konflikten zwischen den Forderungen des Arbeitsplatzes und den Betreuungsansprüchen der Kinder führen kann. Hier soll die Schülertagesstätte Langenthal einspringen, indem sie eine «Ferieninsel» zur Verfügung stellt, wo die Kinder unter Gleichaltrigen betreut und beschäftigt werden.

Das Ziel der Ferieninsel ist es, den Kindern das gemeinsame Erleben aktiver Ferientage mit tollen Erlebnissen, aber auch ruhigen Momenten, zu ermöglichen. Die Tage sind geprägt von kreativem Arbeiten, freiem und animiertem Spiel, Sport und Spass, Lesen und Ausflügen, usw.

Das Programm richtet sich nach dem Alter der Kinder und der Jahreszeit.

Sonnenblume

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